Rund 20.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland leiden unter einer besonderen und abgeschwächten Form des Autismus: dem Asperger-Syndrom. Das Asperger-Syndrom ist eine Kontakt- und Kommunikationsstörung. Den Betroffenen fehlt häufig das soziale Verständnis und sie sind nur begrenzt fähig, ein Gespräch zu führen und oft interessieren sie sich stark für ein bestimmtes Thema, etwa aus Mathematik, Naturwissenschaften oder Geographie. Die Diagnose ist schwer zu stellen. Dabei könnte eine frühe Therapie das Ende der Isolation für viele Betroffene bedeuten.
Der österreichische Kinderarzt Hans Asperger beschrieb 1944 in seiner Doktorarbeit vier Kinder, die intellektuell nicht beeinträchtigt waren, ein gutes Sprachvermögen hatten, aber deren gesamtes soziales Verhalten merkwürdig war. Er selbst nannte die Störung "autistische Psychopathie", da er es als Form der Persönlichkeitsstörung ansah. Heute sprechen wir vom Asperger-Syndrom.
Asperger fiel im Besonderen auf:
- Störungen in den Gesten, im Blickkontakt, Körpersprache, Sprachgebrauch und Sprachgewandtheit
- die Körperhaltung und die Gesten passen nicht zur Situation
- eine natürliche, altersgemäße Kommunikation ist im normalen alltäglichen Umgang mit anderen nicht möglich
- der Tonfall und die Wortwahl ist sehr auffällig
- die sprachliche Kompetenz ist gut entwickelt, aber eine monotone Sprachmelodie ist auffällig
- Schwierigkeiten bei spontaner verbaler Kommunikation
- Diskrepanz zwischen Intelligenz und Gefühlsleben
Leider dauerte es viele Jahrzehnte bis Aspergers Beschreibung international Beachtung fand und 1991 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Krankheit anerkannt und in den Diagnosenkatalog ICD aufgenommen wurde. Der Bundesverband Hilfe für das autistische Kind e.V. stellt fest, dass in Deutschland immer noch wenig spezielles Wissen über das Asperger-Syndrom vorliegt. Oft wird auch heute noch das Asperger-Syndrom nicht selten übersehen. Betroffene Menschen fallen zunächst nur durch ein eigenartiges Sozialverhalten auf, benötigen jedoch häufig viele Jahre bis zur richtigen Diagnose-Erstellung. Kinder mit Asperger-Syndrom spielen meist lieber alleine und entwickeln nicht selten Interessen für spezielle Dinge, in denen sie erstaunliche Fähigkeiten und auch beispielsweise ein fotografisches Gedächtnis zeigen. Dies steht meist jedoch in Kontrast zum Lösen von Alltagsproblemen. Sie geraten schnell in eine Außenseiterposition, da viele betroffene Kinder ungeschickt im motorischen Bereich sind und sportliche Aktivitäten vermeiden. Meist erst spät können Betroffene Fahrrad fahren oder schwimmen. Ohne die rechtzeitige Diagnose geraten Betroffene nicht selten in der Schule zur Zielscheibe von Spott und Hänseleien.
Diagnose
Das Asperger-Syndrom ist nicht einfach zu diagnostizieren, da es unterschiedliche Diagnosekriterien bestehen. Möglich ist es deshalb, bei verschiedenen Fachleuten auch verschiedene Diagnosen zu erhalten. Folgende Diagnosen werden eingesetzt:
nach ICD 10
Die Diagnose des Asperger-Syndroms nach ICD-10 verlangt, dass einzelne Wörter im zweiten Lebensjahr oder früher gesprochen werden, erste Sätze im dritten Lebensjahr oder früher. Die Intelligenz sollte mindestens im Normbereich liegen oder auch darüber. Allerdings können die Meilensteine der motorischen Entwicklung etwas verspätet erreicht werden.
nach DSM IV
Die DSM IV-Kriterien für die Diagnose Asperger-Syndrom beinhalten u.a. die Symptome qualitative Beeinträchtigungen in sozialer Interaktion, eingeschränkte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten. Die Störung verursacht bedeutende Beeinträchtigungen auf sozialem, beruflichem oder auf einem anderen wichtigen Gebiet.
nach Gillberg und Gillberg
Die Kriterien nach Gillberg & Gillberg sind jeweils mehrere Merkmale aus den Bereichen soziale Beeinträchtigung, eingegrenzte Interessen, repetitive Routinen, Rede- und Sprachbesonderheiten, nonverbale Kommunikationsprobleme und motorische Unbeholfenheit.
nach Szatmari, Bremner und Nagy
Auch bei der Diagnose nach Szatmari, Bremner und Nagy müssen mehrere Merkmale in den Kriterien einsam, beeinträchtigte soziale Interaktion, beeinträchtigte nonverbale Kommunikation, sonderbare Redeweise erfüllt sein und die Diagnose entspricht nicht den DSM-IV-Kriterien für eine autistische Störung.
Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass das Asperger-Syndrom auf genetischen Faktoren beruht. Dies ist jedoch eine Expertenvermutung und viele Gründe sind unklar. In Betracht kommt, dass oft ein Elternteil ähnliche Persönlichkeitsmerkmale hat. Zudem könnten Hirnfunktionsstörungen und neuropsychologische Defekte eine Rolle spielen. Diese machten sich etwa in einer gestörten visuell-räumlichen Wahrnehmung bemerkbar.
Förderung und Therapie
Durch gezielte Förderung können die mit dem Asperger-Syndrom verbundenen Schwierigkeiten gemindert und die Lebensqualität verbessert werden. Eine streng ursachenbezogene Therapie bzw. völlige Behebung der kognitiven und emotionalen Auffälligkeiten ist nach heutigem Wissen noch nicht möglich und auch vorerst nicht zu erwarten. Fortschritte lassen sich aber in allen Entwicklungsbereichen erzielen.
Wichtig für ein Kind mit Asperger-Syndrom ist die besondere Förderung in Schule in kleinen Gruppen bzw. Einzelunterricht mit einem pädagogischen Betreuer. Die Rolle des Pädagogen ist schwierig und komplex, doch sachkundige Therapeuten und Spezialisten haben Programme entworfen, das die sozialen, sprachlichen, motorischen und sensorischen Fähigkeiten der Betroffenen fördern soll. Im Detail ist eine Hauptaufgabe des Betreuers das Kind zu ermuntern, beim Spielen und Arbeiten mit anderen Kindern freundlich, flexibel und kooperativ zu sein. Daneben auch beim Kind die Fähigkeiten zu fördern, die für das Führen von Gesprächen notwendig sind. Sozialkontakte müssen sehr behutsam gefördert und Rückzugsmöglichkeiten des Kindes geschaffen werden. Menschen mit Asperger-Syndrom benötigen ganz spezielle Hilfe und ganz besonderes Verständnis, denn sie werden immer an den Maßstäben derer gemessen, die kein Asperger-Syndrom haben, und so kommt es ständig zu Fehleinschätzungen und Überforderungen. Eltern sollten sich bereits im Vorfeld erkundigen, ob die Grundschule bereits Erfahrungen mit der Durchführung von Förderprogrammen hat. Als Behandlungsdauer sind nicht Monate, sondern Jahre einzuplanen.
Schwierige Berufswahl
Auch die Berufswahl fällt Asperger-Syndrom Betroffene meist schwer, da sie durch ihre Eigenschaften in vielen Alltagssituationen Probleme haben. Eine angemessene Arbeit zu finden ist schwierig, weil die Betroffenen oft an den sozialen Anforderungen des Arbeitsplatzes scheitern oder nicht in vollen Umfang gerecht werden können. Gerade eine Beschäftigung, die einen ausfüllt und in der man anerkannt wird, hat einen hohen psychologischen Wert und ist vorbeugend gegenüber Depressionen. Experten raten deshalb bereits während der Schulzeit Kontakte und Berufserfahrungen mit verschiedenen Praktika zu sammeln.
Mit der richtigen Anleitung und Förderung bereits im Kindesalter können Asperger-Syndrom Betroffene soziale Verhaltensweisen lernen. Dann sind die Chancen, dass sie einen Beruf ausüben und ein weitgehend eigenständiges Leben führen können, recht gut.